Eine Reise nach Florenz

Am Samstag, den 7. Juni war es endlich soweit. Ich saß im Zug nach Aachen freute mich auf die lang geplante Reise mit Fritz. Im letzten gemeinsamen Urlaub rund um Nauders sind wir "nur so" die Berge hinaufgefahren und das Gepäck wartete immer schon vor uns im nächsten Hotel. Diesmal wollten wir auch ohne Helfer auskommen und mal mit  Gepäck die Alpen überqueren.
Die neue TTQV Planungssoftware musste ich natürlich einem intensiven Test unterziehen. Ich plante gleich drei alternative Routen von Aachen (wo ich mal vor Urzeiten gewohnt habe und Fritz es noch heute tut) nach Florenz. Da waren wir beide noch nie. Nach der Harzwoche im Mai habe ich die Planung noch mal verfeinert (sprich Länge und Höhenmeter rausgenommen). Das mit den Höhenmetern ist auch so eine Sache. Nach Planung kam ich auf gewaltige Zahlen so zwischen 30.000 und 60.000 Höhenmetern. Ich weiss, dass die Alpen hoch sind, aber diese Zahlen konnten nicht richtig sein und sie haben sich auch nicht annähernd bewahrheitet.

Aufgrund fehlender Erfahrung mit Gepäcktouren entschieden wir uns gegen das Rennrad und für eins mit vielen grossen Zahnrädern am Hinterrad. Ich habe mein leichtes Mountainbike umgebaut und Fritz wählte ein solides Trekkingrad. Ich glaube, er wollte damit seinen Vorteil am Berg durch die 6 Kilo Mehrgewicht kompensieren, was ihm im Übrigen auch gelang.
Kylltalradweg
Am Sonntag ging es dann bei strahlendem Sonnenschein los, über das Hohe Venn und die Eiffel nach Trier. In Bitburg wollten wir eigentlich die Bundesstrasse nehmen, aber die war für Radfahrer gesperrt. Ein ortskundiger Rennradler empfahl uns eine Strecke durch das Kylltal. Die war auch sehr romantisch, nur die 30 Mehrkilometer hätten wir doch gerne vorher gewusst.

Nach insgesamt 180 km fanden wir dann in Trier ein gemütliches Hotel und einen guten Italiener. Am nächsten Tag ging es auf Nebenstrecken über die Weinberge weiter Richtung Süden. Die Strässchen machten oft keine unnötigen Kurven und so ging es zum Teil heftig steil bergauf. In Pirmasens machten wir Halt und stärkten uns in Cuchem's Brauhaus. Die vegetarische Sektion in der Speisekarte lief dort übrigens unter der Rubrik "Für Fleischverweigerer". So viel zum Schwerpunkt der guten und reichhaltigen Küche dieses Lokals.

Am dritten Tag ging es dann immer noch bei strahlendem Sonnenschein weiter durch den Pfälzer Wald nach Frankreich und über die Ausläufer der Nordvogesen nach Strassburg. Nach dem wir uns kurz angesehen haben, wo unsere Europa-Abgeordneten für uns schuften, machten wir Pause am Strassburger Münster. Weiter ging es dann flach den Rhein entlang bis Breisach, einem wirklich schönen kleinen Städtchen.
Am Abend beim Italiener resümierten wir die Erfahrungen der ersten drei Tage und kamen übereinstimmend zum selben Ergebnis: Radfahren mit Gepäck bergauf ist doch sehr viel anstrengender als ohne. Hier war der Scheideweg für die drei Strecken-Alternativen und wir beschlossen, dass die Seealpen einen eigenen Urlaub wert sind. Wir hatten bis hier schon über 500 km zurückgelegt und der direkte Weg nach Florenz waren noch mal 900. Und die richtigen Berge kamen erst noch.

Am nächsten morgen goss es in Strömen. Statt über den Schwarzwald fuhren wir drum herum, oben hatte sich so ein dickes Gewitter festgesetzt, das wollten wir nicht aus unmittelbarer Nähe studieren. Über Lörrach ging es dann bei Rheinfelden in die Schweiz. Ziel war eigentlich Luzern an diesem Tag, aber so richtig motiviert waren wir nicht bei dem Wetter, auch wenn es zunehmend trockener wurde. Irgendwie waren die ersten drei Etappen auch ziemlich lang. Also beschlossen wir in Aarau zu übernachten, wo wir dann aufgrund einer völlig überraschenden Europameisterschaft kein Hotelzimmer fanden. Aber die Schweizer sind patent und freundlich und so organisierten sie uns ein Privatquartier nur 25 km weiter südlich am Hallwiler See. Dort nächtigten wir dann nach erneut gut 150 Tageskilometern in einer wunderschönen Villa direkt am Wasser und das Frühstück hätte wohl auch noch für die deutsche Nationalmannschaft gereicht.
Am GrimselpassAm fünften Tag war sozusagen Ruhetag. Nur 86 km über den Brünigpass bis nach Meiringen am Fusse des Grimsels. Hier wollten wir noch mal Kraft tanken für die Königsetappe. Freitag früh ging es dann los hoch zum Grimselpass. Unten im Tal war es schon recht warm und die kurze Hose war angebracht. Als wir dann oben ankamen, mussten wir vom Pass-Schild erst das Eis abklopfen, um das obligatorische Beweisfoto zu schiessen. Jetzt waren wir defintiv falsch angezogen. Trotz eiligen Umziehens froren wir erbärmlich. Und so eine Abfahrt in den Alpen wärmt auch nicht wirklich. Aber der nächste Pass war nicht weit und auf dem Weg zum Furka kamen wir dann wieder auf Temperatur. Das letzte Stück der Abfahrt vor Andermatt mussten wir dann auch bergab treten, so stark war dort der Gegenwind. Vor Andermatt ging es dann rechts ab die letzten mühsamen 10 km bergauf zum Gotthard, wo wir im dortigen Hospiz übernachteten. 78,6 km mit einem Schnitt von 11,8 km/h !!!. Aber immerhin mehr als 3000 Höhenmeter.

Am nächsten morgen ging es bei leichtem Schneetreiben auf feuchter Strasse das Kopfsteinpflaster der alten Gotthardstrasse hinunter, keine rechte Freude. Erst ab Airolo wurde uns wieder warm.
Hinter Bellinzona wichen wir dann von der geplanten Strecke ab, zu reizvoll waren die ausgeschilderten Radwege. Man muss halt nur auf die Beschilderung aufpassen. Irgendwann blickte ich mal wieder auf mein Navi und wir waren nicht da, wo wir sein wollten. Vor uns war ein Berg, über den wir rüberRustikale Strecke mussten, aber es war keine Strasse zu sehen. Fritz fragte gleich eine ortskundige Dame. Die empfahl uns zuerst ca. 10 km zurückzufahren und dann fiel ihr doch noch eine Nebenstrecke ein. Die gab es auch auf dem Navi. Zurückfahren macht keinen Spass, also wählten wir die Nebenstrecke. Ging auch noch 1,5 km gut (mal abgesehen von den 15% Steigung). Danach hörte dann der Asphalt auf und es kam Natursteinpflaster, aber von so einer heftigen Art, dass selbst Rolf keinen Spass dran hätte. Fahren ging nicht mehr, also 2,5 km bergauf schieben. Ich habe selten so geflucht.

Danach ging es dann zum Glück nur noch bergab bis wir abends in Lugano ankamen und uns beim Italiener so richtig gut wieder gestärkt haben. Am Sonntag ging es dann nach Italien, Ziel war Cremona. Aber schon kurz nach dem Start fing es an zu regnen. Wir zögerten so lange, die Regenklamotten anzuziehen bis wir klitschnass waren. Die Temperatur sank auf 12 Grad und unsere Laune noch weiter. Um 13 Uhr in Monza hatten wir die Nase gestrichen voll und bezogen Quartier in einem kleinen Hotel mit Speiserestaurant. Das Lokal war rammelvoll und es roch köstlich. An diesem Tag haben wir mittags und abends ein komplettes Menü zu uns genommen. 

Montag früh fuhren wir weiter. Zuerst ging es in der morgendlichen Rush Hour die Tangentiale rund um Mailand entlang. Ein absoluter Genuss, allerdings nur für Fans italienischen Autoverkehrs. Zwei Stunden später erreichten wir ruhigere Nebenstrassen und es ging durch die Po Ebene nach Parma. Maisfelder, Maisfelder, Maisfelder. Ich habe auf 150 km Strecke schon spannendere Landschaften gesehen. Dagegen ist selbst Ostfriesland ein Highlight, da gibt es wenigstens Deiche. Aber Parma war auch eins, und natürlich das Essen und speziell der Schinken. Abgenommen habe ich übrigens seltsamerweise nicht in diesem Urlaub.

Am nächsten Tag ging es dann wieder in die Berge. Erst fing es ganz harmlos an, aber dann zeigte uns der Appenin, dass er eben doch kein Mittelgebirge ist, wie ich vorher dachte. Die Berge gehen bis auf 2000 m hoch und die Strassen fahren sich  unangenehmer als in den Alpen. Ständig wechselnde Steigungen erlauben keinen Rhythmus. Wir quälten uns von Bergrücken zu Bergrücken und es gab derer viele.
Pause im AppeninIn einem kleinen Örtchen machten wir Pause in einem Cafe. Wir fragten nach Hotels im nächsten Ort. Der Wirt meinte, das wäre aber noch weit, gute 40 km. Ich sagte "Wieso, das sind höchstens noch 20" und zeigte ihm auf der Karte die Strecke die wir fahren wollten. Die Antwort hätte uns warnen sollen. "Mit dem Fahrrad???" Gefühlt waren es dann 80 km bis wir endlich in der "Metropole" Pievepelago mitten im Appenin ankamen.
Am Mittwoch ging es auf die letzte Etappe, wir hatten nur noch knapp 110 km vor uns. Dass ich so kurz vor Florenz durch ein Skigebiet fahren würde, hätte ich nie erwartet. Aber am Passo d' Abetone (1385 m über NN) gab es mehr als 10 Skilifte und bis Pistoja hatten wir noch reichlich Höhenmeter zu bewältigen. Dann kam  der Blick runter ins Tal (und versprach nichts Gutes). Ab Pistoja ging es über 40 km nur durch Stadtverkehr bis nach Florenz. Ich bin ja kein Fan von Radwegen, aber da hab ich sie mir sehnlichst gewünscht.

Na ja, Florenz hat uns dann nicht gewollt. Die Stadt war übervoll, es war eine grosse internationale Messe und alle Hotels bis hin zur höchsten Kategorie waren ausgebucht (und die hatten wir ohnehin nicht erwogen).  Nach mehreren vergeblichen Versuchen entschlossen wir uns kurzfristig, den nächsten Zug nach Pisa zu nehmen. Dort fanden wir problemlos Quartier und konnte auch dort unsere (wenn auch bescheidenen) kulturellen Bedürfnisse befriedigen.

Nach zwei Tagen Erkundung der Sehenswürdigkeiten (und natürlich der Restaurants) ging es dann mit dem Zug auf die Heimreise. In nur 10 Stunden waren wir oben am Brenner, den wir noch mal heroisch mit dem Rad nach Innsbruck herunter bezwungen haben und dann ging es mit dem Bummelzug nach München, wo ich dann abends noch glücklicherweise einen Platz im Nachtzug nach Hamburg gefunden habe. Keine 26 Stunden nach dem Start in Pisa war ich wieder zu Hause.

Gar nicht so schlecht so eine Radtour mit Gepäck.